(für Glücklich) Vier Profis erklären, warum Lebensmittel besser schmecken, wenn man sich bei der Zubereitung richtig lange Zeit nimmt.
Florian Stärk von der LQR Company
…rollt Likörfässer am Boden hin und her
Ein ganzes Jahr lang haben wir an der Rezeptur für unseren Kräuterlikör herumgedoktert. Obwohl wir uns mit Alkohol gut auskennen, wir importieren und verkaufen ja seit einigen Jahren Spirituosen. Also keine Supermarktschnäpse, sondern feine handwerklich gemachte Sachen, Rum aus einer traditionellen Brennerei in Barbados etwa.
Aber einen Likör selbst ansetzen, das ist dann doch nochmal was anderes. In der Industrie tropft man fertig produzierte Kräuterauszüge in Alkohol rein, gibt Farbstoff und Zuckerlikör dazu, zack, fertig. Wir hatten uns aber in den Kopf gesetzt, mit echten Kräutern zu arbeiten.
Bis wir die alle aufeinander abgestimmt hatten, das hat echt gedauert. Orange und Zimt sind für die Nase interessant, Thymian, Oregano, Rosmarin und Kamille wichtig für den Grundkörper. Dann gibt es Substanzen, die für den Abgang gut sind, etwa Minze. Wir wollten auch ein bisschen Schärfe drin haben, deshalb der Ingwer und der grüne Pfeffer. Wir haben gemischt, getestet, weggeschmissen… Trial and error, ein ganzes Jahr lang. Dann hatten wir das perfekte Verhältnis.
Die alkoholische Basis unseres Likörs ist ein Wodka aus Niedersachsen, ganz lecker und mild. Den füllen wir in kleine Fässer ab und geben dann die Kräuter dazu. 23 sind es insgesamt, daher auch der Name. Da schwimmen dann richtig Ingwerstückchen, Lorbeerblätter, Kamilleblüten, Oreganokapseln, Zimtstangen und Fenchelsaat rum.
Das Ganze zieht dann acht Wochen lang. Mazeration nennt man das. Das Mazerat wird anschließend gesiebt und gefiltert, dann füllen wir alles in kleine und große Apothekerflaschen ab. Alles echte Handarbeit. Sogar die Etiketten, die hat ein guter Freund von uns entworfen.
Während der Mazeration muss immer jemand da sein. Denn damit sich die Aromen von den Kräutern lösen, müssen wir die Fässer auf den Boden legen, sie hin- und herrollen, rütteln und schütteln. Das ist richtig Maloche! Aber anders kriegst du das nicht hin. Anfangs haben wir mit Glasgallonen gearbeitet, die sind uns dabei aber auch mal kaputtgegangen. Jetzt nehmen wir Stahlfässer.
Den KR/23 gibt es in ausgewählten Wein- und Spirituosengeschäften und im Onlinehandel. Adressen unter http://www.theliquorcompany.de
Adam Ramirez von The Pit Berlin
…pflegt seinen Smoker wie sein eigenes Baby

Adam Ramirez liebt 18-Stunden-Steaks. Foto: The Pit Berlin
Also das, was wir hier machen, das ist real Texas style. Dort bin ich aufgewachsen, dort gibt es smoked beef an jeder Straßenecke. Serviert wird es pur, nur mit Pfeffer und Salz, höchstens mit ein bisschen Krautsalat.
Unser Highlight ist Rinderbrust, brisket. Ich beziehe sie von der Morgan Ranch in Nebraska, die sind bekannt für ihre schwarzen Wagyu-Rinder. Rinderbrust hat viel Bindegewebe und wird leicht zäh. Aber dank unserer Zubereitung wird sie butterweich. Unseren Smoker-Grill haben wir selbst gebaut, aus einem alten Propangastank und einem Kesselrohr. Er ist wahrscheinlich der größte in Deutschland.
Beim Smoken liegt das Grillgut nicht auf einem Rost über der Flamme, sondern in einer geschlossenen Garkammer und wird dort von heißem Rauch umströmt. Die Hitze macht das Fleisch weich, der Rauch sorgt für das Aroma. Das kann man sehen: Außen ist unsere Rinderbrust tiefschwarz, innen ist sie schön rosa. Das ist genau die Balance, die ich haben will.

Foto: The Pit Berlin
Bis es so weit ist, dauert es allerdings sehr lange. 15 bis 18 Stunden gart das Fleisch. Währenddessen muss ich alle 40 Minuten Feuerholz nachlegen und die Temperatur prüfen. Die Eichenscheite, die wir verwenden, geben tolles, intensives Aroma, aber brennen eben auch schnell runter. Und die Temperatur muss immer gleich bleiben. Heiß genug, damit das Eiweiß gerinnt, aber so niedrig, dass der Fleischsaft nicht austritt.
Du kannst Dir vorstellen, dass ich während dem Smoken nicht viel Schlaf bekomme. So müssen sich junge Eltern fühlen. Nur dass Babys größer werden und irgendwann keine Flasche mehr brauchen. Dieses Ding da bleibt immer gleich! Es ist harte Arbeit, aber dafür ist der Geschmack unvergleichlich.
Inzwischen machen wir hauptsächlich Catering und grillen nur noch selten öffentlich. Für Streetfood-Märkte ist unser Essen mit zehn Euro pro Teller zu teuer. Da liegt ja dann nur ein Stück Fleisch drauf, das muss man den Kunden erstmal erklären. Neulich allerdings, da waren wir auf der Berlin Food Week – das war der Hammer. Wir waren drei Tage lang ausverkauft.
Termine der nächsten Grillevents unter http://www.thepitberlin.com
Matteo Tosatti von der Pastamanufaktur Pastificio Tosatti
…knetet stundenlang Bläschen in den Teig
Die perfekte Pasta ist ganz einfach. Man braucht nichts außer Eier, Mehl – und Zeit. Ich benutze keinen Pasta-Maker, keine Maschine, weder zum Rühren noch zum Schneiden. Bei mir ist alles handgemacht. Das ist zwar anstrengender und dauert länger. Aber es schmeckt einfach anders. Mit der Hand knete ich immer in eine Richtung hin und zurück, so dass winzige Sauerstoffbläschen in den Teig kommen und ihn elastisch machen. In der Maschine funktioniert das nicht, da muss man Wasser zugeben, sonst wird der Teig zu trocken.
Wenn der Teig fertig ist, dann forme ich kleine Häufchen, wickele sie in Plastikfolie ein und lasse sie ruhen, manchmal ein paar Stunden, manchmal über Nacht. Jedes Häufchen ist etwa 800 Gramm schwer und damit genau richtig für das Ausrollen mit meiner speziellen Nudelrolle, die einen Meter lang ist. Weil ich spezielles Weizenmehl aus Italien benutze, behält der Teig seine schöne Eigelbfarbe, bei dem Supermarktmehl Typ 405 wurde er immer grau.
Wenn ich den Teig zu einer dünnen Platte ausgerollt habe, mache ich Tagliatelle oder Spaghetti oder Ravioli daraus. Mein Arbeitsplatz ist direkt am Fenster, so dass mir die Leute zuschauen können. Tatsächlich bleiben immer Passanten stehen und gucken, insbesondere wenn die Chitarra zum Einsatz kommt, mein traditioneller italienischer Spaghettischneider. Das ist ein Holzkasten mit Metalldrähten, der ein bisschen aussieht wie ein Saiteninstrument.
Jeden Tag bereite ich vier Pastagerichte für mein Mini-Restaurant vor. Natürlich mache ich auch die Saucen oder das Pesto selber. Mein ragù bolognese kocht vier oder fünf Stunden, die Zubereitung habe ich auf einer speziellen Pasta-Schule in Italien gelernt. Den Kurs habe ich gemacht, weil ich nicht mehr als Webdesigner arbeiten wollte. Das ist mein ursprünglicher Beruf. Aber nach fünf Jahren Arbeit wollte ich nicht mehr. Die Bildschirmarbeit hat meinen Kopf müde gemacht, verstehst Du? Jetzt bin ich zwar auch müde, aber im Körper und im Kopf. Jetzt ist da eine Balance.
Pastificio Tosatti, Nudelmanufaktur, Schliemannstr. 14a, Prenzlauer Berg, Di-Sa 12-22 Uhr, http://www.tosatti.de
Laureen Lee von Fräulein Kimchi
..hat zwei Kühlschränke in ihrer Küche

Fräulein Kimchi kocht koranisch, amerikanisch und deutsch. Foto: Pierre Martiniere
Kimchi ist milchsäurevergorener Kohl und gehört in Korea praktisch zu jedem Gericht als Beilage dazu, genauso wie Reis und Suppe. Die Zubereitung ist ganz ähnlich wie die von deutschem Sauerkraut. Man arbeitet Salz in Kohlstücke ein, verschließt alles luftdicht und wartet. Die Arbeit erledigen die Bakterien im Kohl, die den Zucker zu Milchsäure zersetzen und den Kohl fermentieren. Koreanisches Kimchi ist allerdings noch speziell gewürzt, scharf und pikant.
Das Grundrezept ist von meiner Mutter, ich habe es nur noch verfeinert. Ich nehme Chinakohl und schneide ihn in zwei Hälften oder in kleinere, mundgerechte Stücke. Dann salze ich die Blätter mit Meersalz und lasse alles mehrere Stunden in einer Schüssel ziehen. Anschließend wasche ich die Blätter mit klarem Wasser ab. Das wiederhole ich einige Male. Dann kommt die Gewürzpaste dazu. Dazu mische ich Gochugaru, das ist koreanisches Chilipulver, Reismehl, Knoblauch, Zwiebeln und Ingwerstückchen. Traditionell wird Kimchi mit Fischsoße gemacht, aber ich stelle eine vegane Variante her und nehme anstatt dessen Miso- oder Sojasauce.
Die Würzpaste mische ich unter die Kohlstücke und fülle alles in Schraubgläser.. Nach zwei Tagen ist das Kimchi fertig, bei warmen Temperaturen geht es aber auch schneller. Als es jetzt im Sommer so heiß war, habe ich morgens Kimchi angesetzt und nachmittags gegessen. Der Geschmack verändert sich, je länger man das Kimchi ziehen lässt, er wird immer säuerlicher. Logisch, der Gärprozess geht ja weiter.
Wie ich den Geruch finde? Nun, er ist intensiv, keine Frage. Ich habe in meiner Küche deshalb auch zwei Kühlschränke – einen für Kimchi, einen für alle restlichen Lebensmittel. Trotzdem riecht es immer danach. Mich stört das nicht.
Mein homemade Kimchi ist ein fester Bestandteil aller meiner Gerichte. In meinem Restaurant kreuze ich traditionelle koreanische Rezepte mit Hausmannskost aus Mexiko und Nordamerika. Da gibt es etwa Nachos mit Kimchi-Käse-Sauce oder Ramenburger mit Kimchi aus Rotkohl. Auf die Idee würde in Korea zwar niemand kommen, aber ich finde, es schmeckt super – außerdem ist die Farbe toll!
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Fräulein Kimchi kocht, Kollwitzstraße 44, Di-Do und So 17-22 Uhr, Fr-Sa 10-22 Uhr, fraeuleinkimchi.com
Der Text ist im Jahresheft „Glücklich“ 2015/2016 von tip Berlin / zitty Berlin erschienen.
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